Wenn die Steuerfahndung klingelt

Tipps bei Durchsuchungen

 

Sie sitzen am Schreibtisch oder noch beim Frühstück zu Hause. Es klingelt. Die Steuerfahndung steht vor der Tür - meistens morgens zwischen 7 Uhr und 9 Uhr, selten am Wochenende, sofern nicht besondere Fälle vor­liegen (Gefahr im Verzug). Uniformierte Männer und Frauen mit schusssicheren Westen und Handschellen am Gürtel begehren Einlass. Ein vermeintlich netter Herr hält Ihnen einen Durchsuchungsbeschluss unter die Nase und drängt Sie zur Seite. Spätestens jetzt dämmert Ihnen, dass es kein gewöhnlicher Tag wird. Die Steuerfahndung wird alles auf den Kopf stellen.

 

Besonders das oft beabsichtigte Gefühl, wie ein Schwerverbrecher behandelt zu werden, veranlasst viele Betroffene zu reden, sich für allerlei zu rechtfertigen oder auf die Fahnder zu schimpfen. Bringt alles nichts. Wut oder gar Angst sind jetzt schlechte Ratgeber. Das oft martialische Auftreten ist Teil der Einschüchterungstaktik. Fallen Sie nicht darauf herein! Auch wenn es schwer fallen mag lautet nun das oberste Gebot:

 

Ruhe bewahren und Schweigen - Schweigen - Schweigen!!!

(Eine Durchsuchung beweist noch gar nichts.)

 

Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen Durchsuchungen beim Beschuldigten und bei Dritten. Beim Beschuldigten ist nach § 102 Straf­prozessordnung (StPO) eine Durchsuchung schon zulässig, wenn nur die Vermutung besteht, dass man Beweismittel finden wird. Bei Dritten sind die Anforderun­gen höher, weil hier bestimmte Tatsachen vor­liegen müssen, die eine Auffindung von Beweismitteln wahrscheinlich ma­chen.

 

Wer selbst der Steuersünder ist, sollte davon ausgehen, dass die Steu­er­fahnder so ziemlich alles dürfen und dies auch wissen! Sie dürfen vor allem überall durchsu­chen und finden in der Regel alles - es sind Profis. Übrigens sind die wenigsten Steuerhinterzieher stille Genießer. Die meisten haben genügend Aufzeichnungen, die für die Steuerfahndung von Interesse sind.

 

Die folgenden Tipps gelten für alle, egal, ob Sie berechtigt beschuldigt werden oder völlig zu Unrecht ins Visier der Fahnder geraten sind. Das geht oft schneller, als man denkt.

 

  • Machen Sie um Himmels Willen keine Aussagen oder Spontan-Äußerun­gen. Es wird al­les nur noch schlimmer!!! Jede Form von Verbrüderung mit den Fahndern oder Rechtfertigung ist völ­lig fehl am Platze.

 

  • Las­sen Sie sich auf gar keinen Fall auf vermeintliche Verlockungen ein wie etwa: "Ein Geständnis hilft immer" oder "Erzählen Sie doch mal, wie es war, dann können wir uns die Durchsuchung sparen" oder "Ein schnelles Geständnis und wir sind wieder weg". Das funktioniert nur in amerikanischen Krimiserien.

 

  • Widersagen Sie allen Gesprächsangeboten zur Sache selbst, also zum Vorwurf. Jedes Wort zur Sache steht irreparabel im Raum. Sie sind ner­vös, das Herz flat­tert und Sie reden sich um Kopf und Kragen — oder haben Sie das etwa schon zwanzig Mal hinter sich?

 

  • Lassen Sie sich auch nicht auf sog. „rein informelle Vorgespräche“ ein, die angeblich keine echte Vernehmung seien. „Rein informelle Vorgespräche“ gibt es rechtlich nicht!! Alles, was Sie sagen, darf und wird später protokoliert und verwertet werden. 

 

  • Bitten Sie den Durchsuchungsleiter, Ihnen den Grund und vor allem den Umfang der Durchsuchung zu erläutern, damit Sie herausfinden, was genau die Fahnder überhaupt suchen. Eventuell können Sie dadurch auch etwas Zeit gewinnen, um Ihren Anwalt anzurufen. Alle Gespräche sollten sich ausschließlich auf die Art der Durchführung der Durchsuchung beziehen und nie auf die Sache selbst!

 

  • Rufen Sie sofort einen Anwalt an! Wenn Sie keinen spezialisierten Strafverteidiger kennen, dann suchen Sie sich einen Fachanwalt für Strafrecht über den DeutschenAnwaltVerein (DAV): 01805-181805 oder www.anwaltauskunft.de. Noch klüger wäre es, wenn Sie auf der Seite der AG Strafrecht des DAV unter www.ag-strafrecht.de/notdienst.aspx nachlesen, ob es an Ihrem Ort einen Strafverteidiger-Notdienst gibt, der rund um die Uhr besetzt ist. No­tieren Sie sich schon jetzt die für Sie pas­senden Telefonnummern. Wenn erst die Fahnder in der Tür stehen, haben Sie keine Ruhe, erst Ihren PC zu starten und im Internet zu surfen. Außerdem: Ihr Arzt steht doch auch in Ihrem persönlichen Telefonbuch — warum nicht Ihr Anwalt?

 

  • Die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt darf Ihnen nie verwehrt werden. Es darf lediglich geprüft werden, ob es wirklich Ihr Anwalt ist, mit dem Sie telefonieren wollen und nicht etwa ein Mitbeschuldigter, den Sie warnen wollen. Wenn das sicher gestellt ist, dann dürfen Sie auch alleine mit Ihrem Anwalt sprechen, ohne Kontrolle durch die Fahnder. 

 

  • Die unbedingte Pflicht, zur Sache zu schweigen, heißt nicht, dass Sie nicht trotzdem nett zu den Beamten sein können. Die machen auch nur ihren Job. Aber kein Wort zur Sache – man kann es nicht oft genug sagen!!

 

  • Lassen Sie sich den Namen vom Durchsuchungsleiter und seinen Mitar­beitern geben und notieren Sie alles, was Sie an Informationen be­kommen können (Aktenzeichen, Telefon-Durchwahlen etc). Also aufmerksam zuhören und nicht zu viel selber reden.

 

  • Um den Ablauf im Betrieb oder auch zu Hause nicht zu sehr zu stören kann es sinnvoll sein, den Fahndern die Unterlagen bereit zu legen, die sie suchen oder z.B. den Tresor selber zu öffnen. Dabei müssen Sie beachten, ob Sie als Beschuldigter oder als Dritter durchsucht werden. Die gezielte Bereitstellung kann Zufallsfunde vermeiden und die Durchsuchung beschleunigen. Aber! Legen Sie die Unterlagen auf einen Tisch und lassen Sie diese dann beschlagnahmen. Geben Sie nie irgendetwas freiwillig heraus, weil Sie sich sonst Rechtsmittel gegen die Beschlagnahme abschneiden! Freiwillig herausgegebene Unterlagen sind immer verwertbar. Sind Rechtsmittel gegen die Beschlagnahme erfolgreich, dann sind die Unterlagen nicht verwertbar.

 

  • Problematisch ist der Umgang mit Computern und Netzwerken. Rein rechtlich sind Sie nicht verpflichtet, Passwörter bekannt zu geben oder sonstige Sicherungssysteme überwinden zu helfen (auch wenn manche Fahnder das anders sehen und behaupten!). Die Folge der Verweigerung wird aber sein, dass die Fahnder alle Computer und Server mitnehmen. Sie müssen abwägen, ob es Ihnen das wert ist. Sie können auch in Absprache mit dem Durchsuchungsleiter das Passwort selber eingeben und dann eine Kopie der Festplatte ziehen lassen. Inzwischen dürfte sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch bei den Fahndern herum gesprochen haben, dass ein sog. Festplatten-Image denselben Beweiswert hat wie die Originalfestplatte. Aber auch hier muss darauf geachtet werden, was genau gesucht wird. Es könnte ja auch genügen, nur bestimmte Dateien zu kopieren und nicht gleich die ganze Festplatte. Fahnder sind oft viel neugieriger, als sie sein dürfen.

 

  • Wenn es vor Ort zu keiner Verständigung mit dem Durchsuchungsleiter zur „Durchsuchung“ der PCs kommt, dann darf Ihnen die Nutzung der Geräte verwehrt werden, wenn die Löschung von Daten und damit Beweismitteln befürchtet wird. Das nennt man dann „Verdunkelungsgefahr“ und kann einen Haftgrund darstellen!

 

  • Eigentlich dürfen nur Unterlagen und EDV-Daten beschlagnahmt werden, die sich auf den Zeitraum beziehen, die im Durchsuchungsbeschluss genannt wurden. Auch sonst sollte der Umfang eigentlich durch den Beschluss begrenzt sein. Gerne wird aber mehr mitgenommen. Dem muss widersprochen werden. Zumindest sollten die Fahnder begründen, warum sie mehr mitnehmen wollen. Leider sind Durchsuchungsbeschlüsse oft nur sehr vage in ihrer Festlegung, was alles mitgenommen werden darf.

 

  • Geld und Wertpapiere dürfen eigentlich nicht beschlagnahmt werden. Auch nicht für noch offene Steuerrückstände. Dafür wäre eine gesonderte „Arrestanordnung“ notwendig.

 

  • Beschlagnahmefrei sind auch Verteidigungsunterlagen, also der Schrift- oder Mailverkehrs mit Ihrem Verteidiger. Das Beschlagnahmeverbot greift formal eigentlich nur, wenn sich die Verteidigungsunterlagen im Gewahrsam des betroffenen Verteidigers oder Rechtsanwalts befinden, also in seinem Büro. Im Interesse des dem Beschuldigten von der Verfassung eingeräumten Rechts auf faires Verfahren greift der Schutz des § 97 Abs. 1 StPO weiter. Der auch in Art. 6 Abs. 3 EMRK garantierte freie Verkehr des Beschuldigten mit seinem Verteidiger bedingt bei verfassungskonformer Auslegung des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO, dass elementare Verteidigungsunterlagen unabhängig davon, wo und bei wem sie sich befinden, von der Beschlagnahme ausgenommen sind.

 

  • Bei wichtigen Unterlagen, die beruflich oder privat dringend benötigt werden, sollte beim Durchsuchungsleiter erreicht werden, dass Sie Kopien machen oder — sofern vor­handen — behalten dürfen.

 

  • Auch Zeugen (Mitarbeiter, Kunden, Kinder, Haushälterin etc.) haben das Recht, vor einer Aussage sich von einem Anwalt beraten zu lassen. Hier sollten ebenfalls Spontanäußerungen verhindert werden. Auch Gespräche mit den Mitarbeitern so nebenbei oder die sog „rein informellen Gespräche“ sollten unbedingt unterbleiben. Dafür bedarf es klarer Anweisungen an alle Mitarbeiter und zwar jetzt und nicht erst, wenn die Fahndung klingelt.

 

  • Eigentlich dürfen Sie oder Ihre Mitarbeiter weiter telefonieren. Dies kann Ihnen allerdings untersagt werden, wenn befürchtet wird, dass Beweismittel beseitigt werden, andere gewarnt oder sonst die Durchsuchung dadurch behindert würde. Sollte der Durchsuchungsleiter ein generelles Telefonverbot für aussprechen, was vor allem im laufenden Betrieb sehr nachteilig sein kann, dann lassen Sie sich die Gründe nennen. So einfach geht es eben doch nicht. Eventuell kann man sich ja darauf verständigen, dass ein Telefon z. B. zur Annahme von Anrufen weiter bedient werden darf und einer der Fahnder die Telefonate überwacht. Das wäre nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer das mildere Mittel gegenüber einer völligen Telefonsperre.

 

  • Als Inhaber der durchsuchten Räume haben Sie nach § 106 StPO ein Recht auf Anwesenheit bei der Durchsuchung, aber nicht die Pflicht zur Anwesenheit. Wenn Sie das alles nicht ertragen können, dann gehen Sie doch einfach! Und wenn Ihnen der Fahnder dann wieder mit seinem Zauberwort der „Verdunklungsgefahr“ kommt, dann lassen Sie sich von ihm diese begründen. Im Zweifel bestehen Sie darauf, mit dem Richter sprechen zu dürfen, der den Durchsuchungsbeschluss unterschrieben hat. Das könnte die Situation entkrampfen. Solange kein Haftbefehl oder eine konkrete Verdunkelungsgefahr vorliegt, darf Ihnen niemand das Verlassen der Räume verbieten. Dokumentieren Sie alle diese Gespräche später, weil man das gegen die Fahnder eventuell verwenden kann.

 

  • Wenn Sie als Inhaber der durchsuchten Räume nicht anwesend sind, so verlangt § 106 StPO, dass ein erwachsener Vertreter, ein Hausgenosse oder ein Nachbar hin zuzuziehen ist. Damit soll durch einen unbeteiligten Dritten die Ordnungsmäßigkeit der Durchsuchung kontrolliert werden. In solchen Fällen bringen die Fahnder oft einen Mitarbeiter der örtlichen Gemeindeverwaltung als Zeugen mit.

 

  • Versuchen Sie nie, in letzter Sekunde hinter dem Rücken der Fahn­der Beweismittel zu vernichten — das ist ein Haftgrund!

 

 

  • Vorsorglich sollte jeglicher Beschlagnahme formell widersprochen werden. Dazu ist meistens im Protokoll an der passenden Stelle ein Häkchen zu setzen.

 

  • Lassen Sie ein Verzeichnis anfertigen, was genau mitgenommen wurde. Dazu sind die Fahnder nach § 107 StPO ver­pflichtet. Dabei sollte auf die Genauigkeit geachtet werden also nicht "5 Leitzord­ner", sondern "1 Ordner Haus in Spanien", "1 Ord­ner Bankbelege Mai 1999 – Juni 2001" etc. Wenn es notwendig ist, sollten auch vor Ort die Sei­ten durchnummeriert werden, damit hinterher kein Streit entsteht, ob etwas fehlt. Wenn die Fahnder dafür zu faul sind, dann fragen Sie diese doch mal, was ihnen Rechtsstaatlichkeit wirklich wert ist?

 

  • Lassen Sie sich den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebe­schluss aushändi­gen. Sie haben ein Recht darauf nach § 107 StPO.

 

  • Nach der Durchsuchung sollten Sie alle Einzelheiten notieren  — zwei Wochen später haben Sie De­tails, die wichtig werden können, wieder verges­sen.

 

 

Kontakt

Glockengießerstr.9a
23552 Lübeck

Fon: (0451) 70 99 69 79

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