Selbstanzeige

"Volksport" Steuerhinterziehung

Man kann es bedauern oder als Kritik am Steuersystem verstehen - die Deutschen neigen bzw. neigten zur Steuerhinterziehung. Fast jeder hat schon einmal gegenüber dem Finanzamt gelogen (von falschen Angaben über die Entfernung zum Arbeitsplatz bis zum Konto in Luxemburg). Das wird sich allerdings ändern, weil der internationale Informationsaustausch deutlich zunimmt und es immer schwerer wird, Steuern zu hinterziehen. Zinsen auf Sparguthaben oder Ausschüttungen von Lebensversicherungen im Ausland (um nur die "Klassiker" zu nennen) bleiben zukünftig dem deutschen Fiskus kaum noch verborgen.

 

Die Selbstanzeige als "Ablasshandel"


Mit der strafbefreienden Selbstanzeige hat der Staat in § 371 Abgabenordnung (AO) dem Bürger die Möglichkeit geschaffen, den Weg in die Steuerehrlichkeit zurückzufinden. Allerdings ist diese im deutschen Strafrecht einmalige Rechtskonstruktion kein Gedanke der Resozialisierung, sondern hat rein fiskalische Gründe. Der Staat will sich dadurch Steuerquellen erschließen, die ihm sonst verborgen bleiben, denn neben reichlich Zinsen müssen auch die hinterzogenen Steuern zurückgezahlt werden, um eine Straffreiheit zu erwirken. Dieses Geschäft mit dem schlechten Gewissen könnte man auch mit dem mittelalterlichen Ablasshandel vergleichen: bereue - zahle - und deine Sünden werden dir vergeben (die Absolution erteilt dann der heilige Fiskus!).

Aber Vorsicht ! Von dem Gedanken der Reue beflügelt, sollte man sich vor dem nächsten Schritt genau informieren und gründlich und professionell beraten lassen. Eine fehlerhafte Selbstanzeige kann mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen (z.B. bei Verjährung der eigentlichen Steuerhinterziehung).

 

Fachliche Beratung

Jeder Fall ist anders und hat seine Besonderheiten, die genau berücksichtigt werden müssen. Neben den rein rechtlichen Grundlagen sind auch die unterschiedlichen Beweggründe und Charaktere der "Steuersünder" zu berücksichtigen. Oft ist die Frage, ob eine Selbstanzeige erstattet werden soll oder nicht eine Risikoabschätzung, die unterschiedlich beantwortet wird. Hier müssen "Entdeckungsrisiko", die Anforderungen an ein reines Gewissen (bzw. ruhigen Schlaf) und der finanzielle Aufwand abgewogen werden.

Auch die Verteidigungsstrategie kann in Fällen, in denen "nur" Zinsen nicht versteuert wurden, ganz anders beurteilt werden als in Fällen, in denen auch die Geldquelle "schwarz" war.

Auf diesen Bereich des Strafrechts habe ich mich als Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Strafrecht spezialisiert und stehe bundesweit für Beratung und Vertretung gegenüber den Finanzbehörden zur Verfügung. In vielen Fällen ist die Abwicklung mit den Mandanten und den zuständigen Finanzbehörden per Telefon, Fax, E-Mail oder Brief möglich.

 

Person des Anzeigers

In den Genuss der Strafbefreiung können nicht nur Steuerpflichtige kommen, sondern alle Teilnehmer einer Steuerhinterziehung also auch Mittäter und Gehilfen (Ehegatten, Erbengemeinschaft, Mitgesellschafter, Bankangestellte, Aussteller von falschen Rechnungen etc.).

 

Aber Vorsicht ! Bei mehreren Tatbeteiligten müssen alle gleichzeitig (oft bei völlig unterschiedlichen Finanzämtern) Selbstanzeige erstatten. Erstattet nur einer Selbstanzeige, gilt die Tat bei den anderen als entdeckt und eine Selbstanzeige entfaltet keine strafbefreiende Wirkung mehr. Diese Erkenntnis wird auch bewusst eingesetzt, um anderen zu schaden (insbesondere bei zerstrittenen Erbengemeinschaften mit vererbtem Schwarzgeld).

 

Form und Vertretung

Eine besondere Form schreibt der Gesetzgeber für die Selbstanzeige nicht vor (also mal keine Vordrucke). Natürlich sollte aus Beweisgründen eine Selbstanzeige schriftlich abgegeben werden, am besten durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater setzt allerdings eine entsprechende Vollmacht voraus (bei zusammen veranlagten Ehegatten natürlich von beiden).

 

Adressat der Selbstanzeige

Die Selbstanzeige sollte beim sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt erstattet werden. In manchen Fällen kann es hilfreich sein, der Steuerfahndung eine Abschrift zukommen zu lassen. Der falsche Adressat ist auf jeden Fall die Polizei oder die Staatsanwaltschaft. Die Frage der Zuständigkeit ist wichtig für die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige - sonst könnte die Selbstanzeige ins Leere gehen, weil die Tat als entdeckt gilt.

 

Inhalt der Selbstanzeige

Durch die Selbstanzeige muss das Finanzamt im Prinzip in die Lage versetzt werden, neue Steuerbescheide erlassen zu können. Also muss die Selbstanzeige alle Angaben umfassen, die vorher unrichtig waren oder unterlassen wurden. Wenn es schnell gehen muss, sollten die erforderlichen Angaben geschätzt werden mit dem Hinweis, dass die genauen Angaben nachgeholt werden. Hierbei hilft der beratende Rechtsanwalt weiter. Die Schätzungen sollten im Zweifel eher zu hoch als zu niedrig ausfallen, damit keine strafrechtlichen "Lücken" entstehen. In der Regel werden die neuen Steuerbescheide dann erst erlassen, wenn die genauen Zahlen und Unterlagen dem Finanzamt vorliegen. Und außerdem müssen die neuen Steuerbescheide ja auch erst einmal rechtskräftig werden.

 

Das Wort Selbstanzeige muss übrigens nirgendwo stehen. Auch Ausführungen zu den Beweggründen der Steuerhinterziehung sind völlig überflüssig. Der Staat will Ihr Geld und sonst nichts (man nennt das dann Erschließung neuer Steuerquellen).

 

Ab dem 01.01.2015 müssen "zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen". Bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung muss man nach einer Fesetzesänderung von Ende 2020 nun 15 Jahre zurück gehen und das, obwohl nach 10 Jahren die Aufbewahrungsfrist für Unterlagen abgelaufen ist (Unterlagen können auch entlasten, dass es nicht mehr war, als eingestanden!). Damit will der Gesetzgeber die Nachversteuerung der hinterzogenen Steuer erleichtert (Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung: 10 Jahre).

 

Vollständigkeitsgebot

 

Früher war auch eine sog. Teilselbstanzeige möglich. Man konnte also nur Teile seiner bisher falschen Angaben berichtigen und ging diesbezüglich straffrei aus. Das ist vorbei! Nach einer grundlegenden Entscheidung des BGH vom 20.05.2010 (Az.: 1 StR 577/09) ist „eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben - mithin reinen Tisch – macht“. Das hat der Gesetzgeber in seiner Änderung des § 371 AO zum 03.05.2011 aufgenommen. Man muss nun „in vollem Umfang" die unrichtigen Angaben berichtigen!

 

Mit der Änderung zum 01.01.2015 wurde die sog. Teilselbstanzeige in besonderen Konstellation bei der Umsatzsteuer und der Lohnsteuer wieder eingeführt, weil sonst im betrieblichen Bereich jede Fehlerkorrektur fatale Folgen haben könnte. Der Gesetzgeber hat in diesem Punkt auf die kritischen Stimmen seit 2011 reagiert.

 

Ausschlussgründe (gesetzliche Sperren)

In einigen Fällen ist die Möglichkeit der Selbstanzeige ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber die Selbstanzeige quasi nicht mehr als freiwillig akzeptiert.

 

  • Wenn dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter oder dem Begünstigtem eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist.
  • Wenn dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist.
  • Wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung.
  • Wenn ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen.
  • Wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist.
  • Wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste;
  • Wenn die nach § 370 Absatz 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000,- € je Tat übersteigt.

Ferner ist keine Selbstanzeige möglich bei Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen der § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 AO.

 

Bei allen Sperrgründen gilt es allerdings Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich in der Rechtsprechung der letzten Jahre entwickelt haben. Die Deteilprüfung sollte man daher einem spezialisiertem Anwalt überlassen.

 

Sonderregelung bei mehr als 25.000,- € Hinterziehung

 

Eine Besonderheit hat sich der Gesetzgeber bei Hinterziehungsbeträgen ab 25.000,- € ausgedacht. Diese Täter gelten als besonders kriminell weshalb eigentlich eine Selbstanzeige ausgeschlossen sein soll (siehe oben bei den Sperrgründen). Damit sich aber auch für diesen Täterkreis die Selbstanzeige lohnt und der Fiskus nicht die viele Arbeit mit den Ermittlungen hat bleibt diese doch möglich, wird aber teurer. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber einen neuen § 398a AO geschaffen und nennt das: „Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen“.

 

Dort heißt es nun: „In Fällen, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 25 000,- € übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3), wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist:

 

1. die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 angerechnet werden, entrichtet und

2. einen Geldbetrag in folgender Höhe zugunsten der Staatskasse zahlt:

a) 10 Prozent der hinterzogenen Steuer, wenn der Hinterziehungsbetrag 100 000 Euro nicht übersteigt,

b) 15 Prozent der hinterzogenen Steuer, wenn der Hinterziehungsbetrag 100 000 Euro übersteigt und 1 000 000 Euro nicht übersteigt,

c) 20 Prozent der hinterzogenen Steuer, wenn der Hinterziehungsbetrag 1 000 000 Euro übersteigt.

 

Nachzahlung der Steuern

Voraussetzung für die Straffreiheit ist die Tatsache, dass die hinterzogenen Steuern und die Hinterziehungszinsen in voller Höhe in der vom Finanzamt gesetzten Frist nachgezahlt werden. Wer also die hinterzogenen Steuern schon ausgegeben hat und nicht zurückzahlen kann, dem hilft eine Selbstanzeige in der Regel überhaupt nichts. Er liefert sich eventuell völlig unnötig der Strafverfolgung aus und sollte sich zunächst mit seinem Rechtsanwalt beraten. Unter Umständen kann die Selbstanzeige trotzdem die ricthige Entscheidung sein. Zwar bleibt sie ohne die Nachzahlungen unwirksam, aber kann beim Strafrahmen ein Milderungsgrund sein.

 

Wirkung der Selbstanzeige

War die Selbstanzeige rechtzeitig (also kein Ausschlussgrund), vollständig und sind die hinterzogenen Steuern fristgerecht nachgezahlt worden, so kann keine Bestrafung mehr wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung (AO) erfolgen. Etwas komplizierter ist die Sache allerdings, wenn mehrere an der Steuerhinterziehung beteiligt waren, die Selbstanzeige unvollständig war oder gleichzeitig mit der Steuerhinterziehung noch andere Straftatbestände oder Ordnungswidrigkeiten begangen wurden. Hier hilft Ihr Rechtsanwalt weiter.

 

Verjährung bei Steuerhinterziehung

Wichtig ist zunächst, zwischen der Strafverfolgungsverjährung und der Festsetzungsverjährung zu unterscheiden. Die Strafverfolgungsverjährung beträgt bei Steuerhinterziehung fünf Jahre bei "einfacher" Steuerhinterziehung und zehn Jahre bei Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 AO. Diese Fristen können sich durch genau festgelegte Unterbrechungsmaßnahmen (z.B. Durchsuchung, Beschlagnahme etc.) noch  verlängern. Der Fristbeginn ist der Tatzeitpunkt der Steuerhinterziehung. Da die Frage der Verjährung nicht ganz einfach, aber sehr wichtig ist, sollte sie von einem Rechtsanwalt geprüft werden.

Die Festsetzungsverjährung beträgt hingegen nach § 169 Abgabenordnung (AO) bei Steuerhinterziehung in der Regel zehn Jahre (sonst übrigens nur vier). Das heißt, unabhängig davon, ob eine strafrechtliche Verfolgung der Steuerhinterziehung noch möglich ist oder nicht, müssen hinterzogene Steuern für zehn Jahre zurückgezahlt und verzinst werden, wenn die Steuerhinterziehung nachweisbar ist.

Ist die Tat also strafrechtlich verjährt, ist eine Selbstanzeige in den meisten Fällen völlig überflüssig und eher schädlich, denn unabhängig von dieser Verjährung muss die hinterzogene Steuer ja zurückgezahlt werden. Da hat dann in der Regel eine Selbstanzeige schon masochistische Züge.

Allerdings gibt es auch hier Fallkonstellationen, in denen eine Offenbarung gegenüber den Finanzbehörden trotzdem sinnvoll sein kann.

 

Hinterziehungszinsen

Nach § 235 der Abgabenordnung (AO) sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Zinsschuldner ist dabei derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Der sog. Zinslauf, also der Zeitpunkt, ab dem die hinterzogenen Steuern zu verzinsen sind, beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils (in vielen Fällen ist dies der Zeitpunkt der Abgabe der unrichtigen Steuererklärung). Die Zinsen werden mit 0,5 % der hinterzogenen Steuer pro Monat berechnet (und das bis zu zehn Jahren zurück/sog. Festsetzungsverjährung) und sind nicht von der Steuer absetzbar.

 



Kontakt

Glockengießerstr.9a
23552 Lübeck

Fon: (0451) 70 99 69 79

Fax: (0451) 70 99 69 78

mail @ hagenkoetter.de

(Leerzeichen vor und nach dem @ weg lassen)

Druckversion | Sitemap
© Rechtsanwalt Hagenkötter

Diese Homepage wurde mit IONOS MyWebsite erstellt.